Liebe Freundinnen und Freunde des Yoga!
heyaṁ duḥkhaṁ anāgatam – das ist Yogasūtra 2.16: „Denken Sie an die Zukunft und seien Sie sich bewusst, vermeiden Sie die bekannten Fehler aus der Vergangenheit!“, lässt sich aus diesem Sutra lesen. Aber in welchem Kontext?
Nationen, religiöse Gruppen und Clans werden zielgerichtet und stark, indem sie einer klaren Zukunftsvision folgen, die von ihren Führern die Erfahrungen aus der Vergangenheit berechnend, entworfen wird. Das treibt an, Ziele zu erreichen und gibt dem sozialen Geist ein Gefühl von Trost, Sicherheit und Überlegenheit. Dieser Fokus auf die Zukunft bei geleichzeitigem Bedenken der Vergangenheitserfahrungen hilft, Feinde zu überwinden und Macht zu erlangen. Die Patriarchate und die Autokratien in allen Gesellschaften haben über Jahrhunderte hinweg diesem Muster gefolgt. Immer mehr Demokratien der heutigen Welt folgen diesem gleichen Muster. In der Konsumgesellschaft lernen wir in der gleichen Weise auf persönliche Ebene, klare Ziele zu definieren, Ergebnisse zu planen und Erfolge zu feiern.
Yoga ist in eben solch einem Zeitgeist populär geworden. Sollten wir aber Yoga benutzen, um dieses selbstbezogene Muster enger zu stricken? In welchem Kontext empfiehlt uns das Yogasutra, die Vergangenheit zu berücksichtigen und das künftige Leid zu vermindern zu versuchen? Im Yoga geht es um die meditative Aufmerksamkeit, die uns zu einem größeren und damit wahrhaftigeren Bild der Realität verhelfen kann. Das ist nur möglich, wenn wir anerkennen, dass es viele Perspektive gibt, die Realität zu sehen und dabei toleranter werden. Im Yoga heißt das pratispakṣa bhāvanam (Yogasūtra 2.33). Erst die Wechselperspektive macht es einfach, die Mangel und das Festgefahrene bei der eigenen Sichtweise zu durchschauen (saṁyoga – Yogasūtra 2.16).
Vergangenheit und Zukunft sind zweifellos ein Schlüssel zur Gegenwart. Aber ein vorausschauendes Bewusstsein für den Lauf der Dinge muss im gegenwärtigen Augenblick eingebettet sein, ansonsten verlieren wir beides, die Gegenwart und die Zukunft. Die Augen und mit ihm alle Sinne können helfen, den weiten Geist und mit ihm unsere Mitte in der Gegenwart zu halten. Da kann uns sogar eine gute Yoga-Körper-Praxis eine gute Unterstützung sein!
Mit lieben Grüßen
Sriram