Balance und Aufmerksamkeit – Ein Artikel im Yoga-Journal Dezember 2018

Sriram, wo begegnen uns die drei Gunas?

Sie begegnen uns überall in der Welt und in unserem Alltag – darin, wie der Körper funktioniert, wie der Geist funktioniert, aber auch in all den Dingen um uns he- rum. Es sind grundlegende Gesetze, die die Natur bestimmen und den Kosmos am Wirken halten.

Was sind das für Gesetze?

Da gibt es eine Kraft, die nach unten zieht oder rückwärts: Tamas. Dann eine Kraft, die nach vorne prescht oder auf- wärts: Rajas. Und schließlich eine, die bemüht ist, ein Gleichgewicht herzu-
stellen   und den Status Quo zu wahren: Sattva. Alle drei sind immer in allem vorhanden, aber in unterschiedlicher Gewichtung.

Wie kann man sich dieses Wechselspiel konkret vorstellen?

Wenn ich zum Beispiel aufwachen will, brauche ich die vorwärts preschende Kraft, und wenn ich einschlafen will, muss die rückwärts ziehende Kraft wir- ken. Um aber ganz ruhig bei etwas blei- ben zu können, einer Tätigkeit, einer Me- ditation oder auch im tiefen Schlaf, ist die dritte, die bewahrende Kraft nötig..

Guna bedeutet ja wörtlich übersetzt Faden oder Strang. Könnte man sagen, dass die Gunas die Fäden sind, aus de- nen die Welt gewebt ist?

Nicht in dem Sinn, dass Gunas Substan- zen wären, sondern in dem Sinn, dass ein Guna einen gewissen Aktivitätsstrang be- wirkt. Es gibt nur eine Grundsubstanz, dieman im Sanskrit Mulaprakriti nennt,

also Urmaterie. Aber warum ist aus dieser Ursubstanz überhaupt etwas geworden? Weil in ihr dieDreierkraft der Gunasent- halten ist, die eine Spannung erzeugt und für Veränderung sorgt: Wenn die nach außen gehende Kraft explodiert, dann beginnt die Schöpfung. Die rückwärts ziehende Kraft erzeugt den Widerstand, der nötig ist, um Substanz zu formen. Die dritteKraft ist dafür verantwortlich, dass dieses Entstandene als Einheit erhalten bleiben kann: Sie „will“ weder die explosive Weiterentwicklung noch die Zurück- bildung, sondern den Status Quo.

Dabei sind die Gunas aber         immer wieder verschieden stark in ihrer Ge- wichtung?

Richtig und dadurch entsteht Unterschiedlichkeit in der Schöpfung.